„Open“ als aktueller Schlüsselbegriff von Forschung und Bildung und was das mit Whisky Sour zu tun hat – Ein etwas anderer Rückblick auf die GMW 2016

Die folgende Kurzerzählung rahmt meine Eindrücke von der und weiterführenden Überlegungen im Anschluss an die 24. Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) vom 29.08.-01.09.206 an der Universität Innsbruck.
Im Sinne eines „offenen“ Gedanken- und Wissensaustauschs sind die folgenden Überlegungen nicht gänzlich durchdrungen, argumentativ begründet, theoretisch hergeleitet und/oder empirisch geprüft. Es handelt sich vielmehr um vage Überlegungen, deren Weiterspinnen ich – gerne auch in Gesellschaft – weiterverfolgen möchte.


Ich sitze im Zug.
Innsbruck Hauptbahnhof nach Wien Hauptbahnhof.
Bis zur Grenze nach Deutschland bin ich komisch aufgekratzt, unruhig, nervös.
Ich würde gerne arbeiten; das war ja auch mein Plan: ein paar Mails abarbeiten, Gedanken formulieren, Texte von meiner schon viel zu langen Leseliste lesen, Fragestellungen formulieren, Präsentationen finalisieren.
Schließlich fahre ich vier Stunden. Da soll schon was weitergehen.

Langsam aber doch werde ich immer müder.
Der Schlaf überrollt mich. Tja, was soll ich sagen: Ein paar längere Abende und ich mach schon schlapp. Ich gehöre halt doch nicht mehr zu den ganz Jungen. Oder anders: Wir werden doch alle älter.
Der Schlaf ist kurz und traumlos.
Energiebringend und beruhigend.

Doch dann – es muss kurz vor Salzburg sein, denn mein Smartphone gibt mir den Tarif für die Auslandsnutzung bekannt – wache ich abrupt auf und es schießt mir vor mein imaginäres Auge; ich sehe es groß wie eine Leuchtreklame:…

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Ja, let’s open die Ressourcen.
Let’s open our research.
Öffnet die Netzwerke.
Seit offen zu andere Ideen.
Seit offen zu andere Menschen.
Öffnen wir die Grenzen….
Open! Open! Open!

Langsam werden meine Gedanken konkreter, weniger diffus.
Ich denke an den Workshop von Timo van Treeck und Claudia Bremer zu Open Educational Ressources.
Ich wundere mich erneut, dass ich bis zur Teilnahme an diesem Workshop noch nie ernsthaft und intensiver über den Begriff „Open“ nachgedacht habe.
Mir fällt wieder ein, dass sich die Workshop-Diskussionsgruppe darüber einig war, dass sich der Begriff „Open Education Practices“ wohl eher nicht nachhaltig durchsetzen wird.

Mir fällt wieder ein, dass ich nach der Keynote von Peter Purgathofer bereit war gemeinsam mit den anderen zu einer wissenschaftlichen Revolution, ja Revolte – wider des Autorenprinzips und wider der wissenschaftlichen Vermarktungsindustrie – aufzubrechen und ab jetzt alles anders zu machen.

Mit fällt wieder ein, dass wir auch in unserem Entwicklungs- und Forschungsprojekt MediaMatters! sowie in dem dort etablierten Netzwerk unterschiedlicher Akteure die Offenheit, das „Open“, die Transparenz zu leben versuchen. Gleichwohl stoßen wir aber dort und da – gerade was die methodologische Fundierung und das methodische Setting unseres Projektes betrifft – an Grenzen der Umsetzbarkeit. Dies haben wir auch im Rahmen unseres Beitrages im Sammelband sowie im Rahmen unseres Flipped-Conference-Talks thematisiert.

Und schließlich dringen meine Gedanken bis zum Conference Dinner im schönen Kurhaus in Hall in Tirol und zum Whisky Sour in der „C.U.“-Bar in der Innsbrucker Innenstadt vor. Und ich denke, jetzt komme ich zum Kern dieses „Opens“:
Das ist der ungezwungene Gedankenaustausch. Das befruchtende Sich-ins-Wort-Fallen-Dürfen. Ein völliges Open-Mindedness. Offenheit ist nicht nur die Möglichkeit, sondern insbesondere die Lust und Laune zum Austausch.

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Und ja, vom Whisky Sour lässt sich der Bogen zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung um „Open Educational Practices“ spannen und dies gleich in zwei Dimensionen:

Zum einen zeigen sich meines Erachtens „Open Educational Practices“ in Handlungen, in vollzogenen Praktiken von Personen einer sozialen Gemeinschaft. Dabei gibt die soziale Gemeinschaft durch symbolische Ordnungen vor, was un-/möglich ist. Orientiert an praxistheoretischen Überlegungen könnte man sagen, dass soziale Gemeinschaft und die dort etablierten Gemeinschaftsformen eine „implizite, ‚informelle’ Logik des sozialen Lebens“ vorgeben (Reckwitz, 2003, S. 290). Soziale Praktiken sind „Praktiken der Verhandlung“, des „Umgangs“ mit einem Artefakt, einem anderen Akteur oder auch dem Selbst bspw. dem eigenen Körper, die in ihrer Ausübung, etwa in Form von routinisierten Bewegungen, beobachtbar sind (Reckwitz, 2003, S. 290). „Open Educational Practices“ sind oder können – analog dieser Überlegungen – solche routinisierten Handlungen sein, die zunächst immer von der sozialen Gemeinschaft verun- bzw. ermöglicht werden.

Zum zweiten lässt sich der Bogen vom Whisky Sour zu „Open Educational Practices“ insofern schlagen, als ich den Bogen wieder zurückführe und nun bei einem alkoholhaltigen Getränk noch einmal genauere Überlegungen zu sozialen Praxen unter dem Zeichen von „Open“ eingedenk der praxistheoretischer Überlegungen anstellen werde. Ja, bei Gelegenheit werde ich berichten. Und ja, ich bin ganz „offen“ mich diesbezüglich mit anderen auszutauschen.

Bevor ist dies tu, sei den Organisatoren der GMW 2016 noch herzlich gedankt! Der Rahmen der Veranstaltung hat einen „offenen“ Austausch und ein geöffnetes, openminded Denken ermöglicht!

Quellen:
Reckwitz, A. (2003). Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Zeitschrift für Soziologie, 4(32), 282–301.

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